Was tun Verfahrensbeistände für dich?
Wie kommt ein Streit über Kinder zum Gericht?
Vielleicht kennt ihr den Spruch: „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte!“ Ich weiß nicht, ob das wirklich stimmt? Aber die Streitfälle, von denen ich hier erzähle, gehören bestimmt nicht dazu. Die oder der Dritte seid nämlich in diesem Fall immer ihr Kinder und die Streitenden sind eure Eltern – und das ist bestimmt nicht lustig!
Nun führt aber nicht jeder Streit eurer Eltern dazu, dass sie deswegen zu einem Gericht gehen – meist schaffen es Eltern auch, sich zu einigen. Oft genug aber, wenn es bei dem Streit um euch direkt geht, finden Eltern keine Lösung und wünschen, dass das Gericht ihnen eine Entscheidung abnimmt.
Man unterscheidet dabei zwei sehr verschiedene Arten von Streitigkeiten beim Gericht:
- Bei Mama und Papa geht es euch nicht gut. Eure Eltern streiten sich so doll, dass sie sich oder sogar euch hauen. Sie trinken vielleicht viel Alkohol oder nehmen Drogen und vergessen es dabei, sich um euch richtig zu kümmern. Oder sie habe eine schlimme Krankheit und schaffen es nicht mehr, all das zu tun, was eigentlich gesunde Eltern sonst für ihre Kinder tun. Dann kann es sein, dass ein Gericht prüfen muss, ob ihr im Augenblick oder auch für eine längere Zeit nicht mehr bei euren Eltern leben könnt oder welche Unterstützung eure Eltern brauchen, um wieder gut für euch zu sorgen. Bei diesem Streit geht es um „Kindeswohlgefährdung“.
- Eure Eltern haben sich getrennt und ihr lebt entweder bei Mama oder Papa. Da kann es passieren, dass sich eure Eltern darüber streiten, bei wem ihr leben sollt. Dann streiten sich eure Eltern um das „Sorgerecht“. Vielleicht es gibt Streit darum, wann oder wie oft ihr die Mama oder den Papa besuchen sollt, bei dem ihr nicht lebt. Hier streiten sich Eltern um das „Umgangsrecht“. Eltern passiert es dabei manchmal, dass sie bei ihrem Streit miteinander vergessen, wie es euch dabei geht.
Weil Eltern auch nicht immer wissen, wie das beim Gericht so läuft, nimmt sich meistens jeder einen Anwalt, der sie berät und dem Gericht schreibt, was Mama oder Papa gern für sich entschieden haben möchten. Das Gericht, bei dem solche Streitsachen um Kinder verhandelt werden, heißt „Familiengericht“.
Und wer kümmert sich um eure Interessen?
Schon seit 1998 gibt es ein Gesetz, das 2009 noch einmal verbessert wurde, in dem aufgeschrieben wurde, dass die Richterin oder der Richter bei solchen Streitigkeiten, bei denen es um euch Kinder geht, einen „Verfahrensbeistand“
zu bestellen hat, der sich beim Gericht nur für euch einsetzen soll.
Da es um Kinder und Jugendliche geht, gibt es auch das Jugendamt, das den Auftrag hat, euch und euren Eltern zu helfen. Das machen die Menschen vom Jugendamt aber auch schon vor einem Gerichtsverfahren.
Wie macht der Verfahrensbeistand das denn so?
Wenn ein Familienrichter einen Verfahrensbeistand – das kann eine Frau oder ein Mann sein – damit beauftragt hat, sich für euch einzusetzen, dann wird der eure Eltern anschreiben, um mit ihnen einen Termin abzusprechen, wann und wo er euch besuchen und kennen lernen kann. Wenn ihr schon älter seid, schreibt er euch vielleicht auch direkt an.
Eigentlich machen diese Verfahrensbeistände ihre Arbeit ziemlich ähnlich. Weil jeder Mensch aber anders ist, erzähle ich euch, wie ich es mache, damit ihr ein Beispiel habt, wie es laufen könnte:
Meistens werde ich euch beim ersten Mal bei Mama oder Papa besuchen, bei der oder bei dem ihr wohnt. So lernt ihr mich persönlich kennen. Vielleicht habt ihr Lust, mir dann euer Zimmer zu zeigen und mir zu erzählen, was ihr gern macht, wofür ihr euch interessiert oder was ihr gern spielt. Bestimmt seid ihr aber ganz gespannt, warum ich euch besuche? Ihr müsst wissen, dass ich euch im Auftrag des Gerichts besuche und deshalb den Auftrag habe, alles, was ihr mir erzählen wollt, später dem Gericht mitzuteilen. Das erkläre ich euch ganz in Ruhe.
Außerdem erzähle ich euch davon, über welche Sache genau sich eure Eltern streiten und weshalb es so wichtig für mich ist, euch kennen zu lernen und zu erfahren, wie es euch geht und was für Sorgen ihr habt. Ganz wichtig ist für mich zu erfahren, wie ihr euch eine Lösung des Streites vorstellt, welche Vorschläge ihr an eure Eltern habt und was ihr unbedingt braucht, damit es euch wieder besser geht.
Wenn ihr wollt, dass eure Eltern und das Gericht alles erfahren, was ihr mir erzählt habt, schreibe ich in meinem Bericht an das Gericht die Fragen und Antworten auf. Wenn es eine Sache gibt, die ich nicht weitererzählen soll, könnt ihr mir das sagen. Ich behalte es dann für mich. Wenn es einen wichtigen Grund für mich gibt, dass ich dem Gericht doch davon berichten muss, erkläre ich euch genau meine Gründe und bespreche mit euch, was ich schreibe oder erzähle.
Oft ist es aber auch für euch zu schwierig, euch für eine Lösung zu entscheiden, weil ihr vielleicht nicht wollt, dass Mama oder Papa traurig oder sauer werden. Dann müsst ihr euch auch nicht festlegen! Ihr seid Kinder – entscheiden müssen in so wichtigen Dingen eure Eltern, oder wenn sie das gemeinsam nicht schaffen - das Gericht. Wenn es für euch also zu schwierig ist, euch zu entscheiden, können wir dann zum Beispiel darüber sprechen, was ihr bei Mama oder Papa besonders gut findet. Ich werde auch nachdenken, ob mir Lösungen einfallen, auf die ihr bisher noch nicht gekommen seid und die euch helfen können.
Wenn es ums Sorgerecht
geht, also zum Beispiel wenn sich Mama und Papa nicht einigen können, bei wem ihr wohnen sollt, dann werde ich euch auch bei Mama und Papa besuchen. Da könnt ihr mir dann zeigen, wie euer Zimmer aussieht, welche Sachen gleich sind und welche Sachen anders sind. Ihr könnt mir dann von euren Freundinnen und Freunden bei Mama oder Papa erzählen und wie ihr mit dem neuen Freund von Mama oder der Freundin von Papa auskommt, wenn eure Eltern neue Partner gefunden haben.
In der Regel werde ich auch Gespräche mit Mama und Papa führen. In manchen Fällen spreche ich auch mit eurer Erzieherin oder Lehrerin oder anderen Menschen, die euch gut kennen. Danach besprechen wir alles, was ich erfahren habe und sage euch, was ich dem Gericht schreiben werde.
Vielleicht schaffe ich es ja, dass Mama und Papa einsehen, dass der Streit euch nicht gut tut und eure Eltern finden gemeinsam mit euch doch noch eine Lösung – dann muss keiner mehr zum Gericht. Das wäre bestimmt für euch die beste Lösung!
Wenn es um die Kindeswohlgefährdung
geht, dann ist es für mich genauso wichtig zu erfahren, wie es euch geht und was ihr euch wünscht. Auch wenn es völlig klar ist, dass fast kein Kind von Mama oder Papa getrennt wohnen möchte, kann es sein, dass das Gericht trotzdem entscheidet, dass ihr nicht zu Hause wohnen bleiben könnt, weil es für euch zu gefährlich ist oder ihr von euren Eltern nicht so viel Hilfe und Aufmerksamkeit bekommt. Es ist nämlich so, dass jedes Kind das Recht darauf hat, dass es ihm gut geht, es in den Kindergarten oder die Schule gehen kann, es genügend zu essen und zu trinken bekommt und gesund leben kann, damit es glücklich ist, Freunde findet und später vielleicht auch eine gute Mama oder ein guter Papa wird.
Ich werde auch hier genau mit euch besprechen, was man machen kann, damit ihr vielleicht nicht so lange von Mama und Papa getrennt seid, wo und bei wem ihr in der Zwischenzeit wohnen könntet, damit Mama und Papa Zeit haben, um gesund zu werden oder zu lernen, mit euch besser umzugehen oder sich besser um euch zu kümmern.
Wie geht es beim Familiengericht weiter?
Wenn eure Eltern es nicht schaffen und selber keine Lösung finden, wird es einen Termin beim Gericht geben, wo dann die Richterin oder der Richter sich gemeinsam mit Mama und Papa, ihren Anwälten, dem Jugendamt und mir treffen. Meist schreibe ich vorher einen Bericht an das Gericht, in dem steht, was ihr mir erzählt habt, wie es euch geht und welche Lösungen ihr oder zusammen mit mir gefunden habt.
In dem Termin beim Gericht beraten nun die Erwachsenen,, wie sie den Streit lösen können. Finden deine Eltern hier mit dem Gericht eine gemeinsame Lösung, dann ist die Sache schnell zu Ende und ich werde dir mitteilen, wie die Lösung aussieht und dich auch fragen, ob du das auch gut findest.
Wenn deine Eltern keine Lösung finden oder sie sich mit dem Gericht nicht einig werden, wie sie sich besser um dich kümmern können, muss das Gericht entscheiden. Da die Richterin oder der Richter dich noch nicht kennengelernt haben, werden sie dich auch zu sich ins Gericht einladen oder dich zu Hause bei Mama oder Papa besuchen. So ein Besuch im Gericht fällt dir vielleicht leicht, vielleicht hast du aber auch ein wenig Angst. Aber vielleicht bist du froh, auch dem Richter von dir erzählen zu können. Das Gespräch wird dann entweder im Zimmer des Richters oder in einem Spielzimmer des Gerichts stattfinden. Bei dem Gespräch werde ich an deiner Seite sein, und wir werden es gemeinsam vorbereiten. Wie so eine Kindesanhörung praktisch ablaufen kann, erzähle ich dir in unserem Gespräch.
An einem anderen Tag wird der Richter dann seine Entscheidung fällen, und ich werde euch sagen, was er entschieden hat und wie es nun für euch weitergeht. Wenn ihr mit dieser Entscheidung des Gerichts überhaupt nicht einverstanden seid und glaubt, dass ihr mit den Folgen nicht zurechtkommen werdet, dann können wir auch darüber sprechen, ob ich gegen die Entscheidung des Gerichts eine „Beschwerde“ einlegen soll. Mit Beschwerde ist gemeint, dass dann ein höheres Gericht – ein Oberlandesgericht – sich noch einmal mit den Meinungen von euch und euren Eltern beschäftigen soll. Es kann sein, dass dann die Entscheidung anders ausfällt.
Und was passiert dann?
So - wenn ihr das alles überstanden habt und hoffentlich eine gute Lösung für euch gefunden wurde, ist meine Arbeit zu Ende. Ich werde mich dann von euch verabschieden. Ob wir uns dann noch einmal wiedersehen, weiß ich nicht. Falls ihr mich später noch einmal anrufen möchtet, um mir zu erzählen, wie es euch geht und was aus euch geworden ist, fände ich das toll. Ihr könnt mich aber auch anrufen, wenn es doch wieder zu Hause Streit zwischen euren Eltern um euch gibt, ihr zum Beispiel doch zu Papa oder Mama wechseln wollt und eure Eltern sich nicht mit dir einigen können oder du dich nicht gut von deinen Eltern versorgt fühlst. Wir können dann bestimmt noch einmal darüber sprechen, was ich für euch tun kann – versprochen!